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Der Wanderbutz

von Peter SteurerZuletzt verändert: 07.11.2007 11:58

Die Geschichte spielt um 1830 herum. Damals machte ein Butz viel von sich reden. Oftmals sah man zwischen 12 und 1 Uhr nachts auf der Gluandiwiese ein wanderndes Licht. Hausen tat er bei Stēhauers.  Auf der Diele dieses Hauses ging es manchmal zu, als ob ein Dutzend Katzen Fasnacht hielten. Da ließ man den Pfarrer kommen, um das Haus zu benedizieren. Der Butz verschwand. Aber ein paar Tage darauf übersiedelte der Malafiz1  ins „Marxa Hūs“. Dort wohnte ein junges Ehepaar mit einem kleinen Kinde. In der Nacht lag das Kindlein in einer Wiege, die beim Bette der Mutter in der Nebenkammer stand. Einmal – die Stubenuhren schlugen gerade zwölf, und der Mond schaute beim Fenster herein – bekam die Wiege einen Schupfer, dass sie über und über stürzte. Das Kind lag auf dem Boden. Ein paar Tage darauf wurde es krank und starb. Um weiteres Unglück zu verhüten, kaufte Marx ein großes Kruzifix und befestigte es an der Giebelfront des Hauses, was heute noch zu sehen ist. — Der Butz zog aus. Er ging nicht weit. Schon in der zweitnächsten Nacht tobte er im Schoderschen Hause. Potztausend, da ging es laut her! In der ersten Nacht warf er in der Küche das Wassergeltli2  und die Pfanne auf den Boden und trommelte mit dem Gätzi3  drauflos. In der zweiten Nacht trampelte er im Keller herum und warf die Brenten4  vom Tablet5  herunter. In der dritten Nacht hörte man, wie er wiederholt die Haustür öffnete und zuschlug. Da ging der Hausvater nach Schruns, kaufte ein kleines Herrgöttli und nagelte es an die Haustür. In der folgenden Nacht ging das Getümmel im Vorhaus los. Niemand getraute sich, sich zu regen. Als man am Morgen ins Vorhaus kam, war eigentlich nicht viel zu sehen. Nur das Butzenscheibenfenster6  lag mit vier zerschlagenen Scheibchen auf dem Fußboden. Der Butz war also durchs Fenster entwichen. Wunderbar war, dass die vier Nägel, die das Fenster im Stocke hielten, unangetastet geblieben waren.7

Die folgende Sage zeigt sehr schön die erzieherische Funktion auf, die Texten dieser Art oft zukommt. Hier ging es darum, den Menschen aufzuzeigen, wie wichtig der sonntägliche Kirchgang sei. Viele Sagen haben eine moralisierende Dimension und möchten auf einfache Art und Weise vermitteln, welches Verhalten als vertretbar gilt und welches besser zu unterlassen ist, so man seine Seele in Sicherheit wägen möchte:


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1 hier: Unfug Treibender

2 großer Wasserbehälter

3 Kelle

4 flaches Holzgeschirr für die Käsezubereitung

5 Tisch

6 Butzenscheibe = runde Glasscheibe, 10-15 cm Durchmesser mit einer Erhöhung in der Mitte; mittels Bleifassung wurden diese Scheiben im 15. und 16. Jh. zu ganzen Fenstern zusammengesetzt

7 Barbisch 1987: 335f


Audiodatei

P06-1_Der Wanderbutz.mp3
 


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